Folge 1: Goethes Erben - 09. Januar 2002 Capitol Hannover

 

   
   

Hallo und herzlich willkommen zur ersten Folge von Rittis Feierabend. Ich für euch beim Konzert von Goethes Erben in Hannover und erzähl euch jetzt mal, was da so los war:

Da ich bereits mangels vor-erworbener Eintrittskarte zu einem recht frühen Zeitpunkt am Capitol eintraf um die Abendkasse unterwürfigst um eine selbige zu beknien, war zunächst einmal nicht viel los. Erst allmählich tröpfelten größtenteils schwarzgewandete Gestalten in den Saal um auf den Beginn des Konzertes zu warten. Scheinbar hatte die Ausnahmeband um Mindy Kumbalek und Oswald Henke aber an diesem Abend sämtliche Zeit der Welt und so gab es statt des Geschehens auf der Bühne erst einmal reichlich Musik aus der Gothic-Disco-Dose zu hören.

Etwa 30 Minuten nach dem offiziellen Beginn wurde es dann aber doch noch dunkel im Capitol, das sich trotz abgesperrter Loge inzwischen recht ordentlich gefüllt hatte. Die Show begann dann mit einer knapp halbstündigen Videovorführung, die anstelle einer Vorband auf das Konzert der Erben einstimmen sollte. Inhaltlich ging es dabei um den Videodreh zur aktuellen Single „Glasgarten“ mit Peter Heppner, der durch ausgiebigen Schabernack der Akteuren untereinander ein wenig den Charme gymnasialer Klassenfahrten versprühte und zudem zwei wirklich essentielle Erkenntnisse parat hielt:

Einerseits stellte sich heraus, dass Geysire wirklich miese Nebendarsteller sind und zum anderen, dass es auf Island „schwarzes“ Speiseeis gibt.

Dieses verwendete Sänger Oswald Henke dann auch als Überleitung für den Auftritt und begrüßte sein Publikum mit einem saloppen „Leute fahrt nach Island, dort gibt es schwarzes Eis“, bevor es mit „Eissturm“ auf die musikalische Reise durch das Universum von Goethes Erben ging. Dabei wurde schnell deutlich, dass Mindy und Oswald großen Wert auf eine bühnengerechte Präsentation ihrer Songs legen. Anstatt die Stücke elektronisch-lieblos vom DAT herunter leiern zu lassen, verlegten sie sich darauf alles was live umsetzbar ist auch live zu präsentieren. Wie schon auf den diversen Festivalauftritten standen somit diverse Live-Musiker an Bass, Gitarre, Violine und Schlagzeug, die die zweieinhalbstündige Show sichtlich mit leben füllten, während Mindy mit ihrer Maggie-Thatcher-Gedächtnis-Mimik mal hinter dem Keyboard, mal an der Percussion präzise wie ein Uhrwerk agierte und Oswald mit wüsten schauspielerischen Einlagen die Blicke auf sich zog sowie durch spaßige, skurrile, verträumte und ernste Geschichten von einem Song zum nächsten überleitete.

Generell muss man feststellen, dass Oswald Henke im positiven Sinne eine echte Bühnensau ist, über deren unterhalterische Fähigkeiten sich mühelos Bücher füllen ließen. Als Contrapunkt zur versteinert wirkenden Kollegin Mindy suchte Oswald pausenlos den Kontakt zum Publikum und bot seine Songs weit mehr als nur gesanglich dar. Anhand verschiedener Requisiten, wie einem Gesetzbuch, einer Puppe oder den bunten Leuchtstoffröhren (die er den Besuchern der ersten Reihe mal eben zur Erweiterung des Bühnenbildes in die Hand drückte), führte er kleine Musik-Theaterstücke auf und demonstrierte mit furioser Mimik und Gestik warum er einst den Beinamen „Rumpelstilzchen“ verliehen bekam. Mit fortschreitender Showdauer nahm auch sein Aktionsradius beängstigende Ausmaße an: Mal wälzte er sich wild auf der Bühne, fegte wie im Rausch mit dem Besen umher, sprang Raubkatzengleich über das Bühnengeländer einem völlig erschrockenen Fan an den Hals und rannte wie von der Tarantel gestochen durchs Publikum.

Wirklich skurril wurde es besonders gegen Ende des Konzertes, als „Rumpel“ Oswald ein Silbertablett mit rotem Wackelpudding auf die Bühne trug, lustvoll grinsend darin herum schmadderte, ein Stück lutschte und sich mit einem zweiten Stück über die Bande hinweg unters Volk begab, um das Glibberzeugs gleich einem Abendmahl zu verfüttern.
Glücklicherweise hatte ich mir bei dieser Aktion meine Brille umsonst von der Nase gerissen, da ich insgeheim schon mit einer Wurfattacke rechnete, die Gott sei dank ausblieb..

Abgesehen von Schreckmomenten wie diesem verlief das Konzert jedoch relativ gemütlich. Einhergehend mit dem wenig partytauglichen Material der Goethes Erben blieben sportliche Höchstleistungen und Grölschlachten dieses mal aus. Dafür lebte die Show von der Inszenierung der einzelnen Songs. Goethes Erben boten an diesem Abend ein Programm, dass einer Multimediashow gleich, stark auf den audiovisuellen Gesamteindruck setzte und sich durch den ungewöhnliche Struktur von normalen Konzerten abgrenzte.

So entschieden sich die Bayreuther dazu, ihre Show zu splitten: Teil eins umfasste die aktuelle CD„Nichts bleibt wie es war“, Teil zwei bestand allein aus älteren Stücken, wie „Kondition Macht“, „Seelenmord“, „Pascal lacht“ oder „Die letzte Nacht“.

Sehr zum Unmut der alt eingesessenen Fans weigerten sich die Erben jedoch ihren Gassenhauer „Iphigenie“ zum besten zu geben, wofür ihnen das erbetene Verständnis nur widerwillig entgegen gebracht wurde. Ein weiterer kleiner Wehrmutstropfen schlich sich bei den Zugaben ein: Trotz der netten Puddingfütterung zogen sich diese ziemlich in die Länge und waren arg auf die Hardcore-Fans zugeschnitten, zu denen ich mich nicht zählen würde.

Über den Daumen gepeilt, war es aber ein schöner, weil intensiver Konzertabend, der bewies, dass Goethes Erben eine der wenigen wirklich einzigartigen Bands in der deutschen Musiklandschaft sind. Mein Fazit: Gerne wieder!

 

   
         
         



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